Seit einigen Tagen kursiert in den sozialen Medien ein internationaler und
breiter Aufruf von Professoren, vielen prominenten darunter, der sich endlich mal
deutlich gegen BDS-Aktivitäten ausspricht: "Unabhängig davon, wie jeder von uns derzeit die Situation vor Ort analysiert und die Aktionen der israelischen Regierung und Armee bewertet, möchten wir klarstellen, dass wir
gegen jede Form von Boykott gegen israelische Wissenschaftler und israelische akademische Einrichtungen sind. Wir treten entschieden für die Zusammenarbeit und die
Fortsetzung der Arbeit mit ihnen ein. Wir sind auch davon überzeugt, dass die schrittweise, oft subtile Ausgrenzung israelischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Grundprinzipien des professionellen Verhaltens und der
akademischen Freiheit widerspricht. Darüber hinaus ist ein akademischer Boykott gegen Israel kontraproduktiv für die innerisraelischen Debatten und den israelisch-palästinensischen Dialog." Lanciert wurde der Aufruf von der Philosophin
Anne Rethmann und den Historikern
Daniel Siemens und
Helmut Walser Smith. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderen Seyla Benhabib, Steven Pinker, Detlev Claussen,Friedrich Wilhelm Graf, Eva Illouz, Armin Nassehi, Christoph Möllers, Hans Joas und Rahel Jaeggi.
Wie sich die Ausgrenzung verbreitet, zeigt ein Zufallsfund auf Twitter, ein
Thread der amerikanischen Journalistin Gabby Deutch, der BDS-Aktivitäten bei
amerikanischen Psychotherapeuten aufzeigt: "In mindestens einem großen Online-Forum ist Israel
buchstäblich zu einem Lackmustest geworden - und zu einem Zugangshindernis. Eine Facebook-Gruppe für Therapeuten mit einer privaten Praxis mit 25.000 Mitgliedern verlangt seit dem 7. Oktober von allen Mitgliedern, dass sie sich verpflichten, 'gegen Unterdrückung' und '
für Palästina' zu sein." In anderen Gruppen sprechen sich Mitglieder ab, Therapeuten mit "zionistischen Verbindungen" keine Patienten zuzuweisen. Mehr
hier.
Die Likes der TU-Präsidentin
Geraldine Rauch für israelfeindliche Tweets sind trotz ihrer Entschuldigung nicht ganz ausgestanden. Sie habe sich ohnehin erst entschuldigt, "nachdem die Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra sie dazu gedrängt hatte", setzt Thomas Thiel heute in der
FAZ nach. Hinzu kommt, dass ihre Likes jetzt von dem von ihr selbst frisch ernannten Antisemtismusbeauftragten
Uffa Jensen als "nicht per se" antisemitisch eingestuft worden waren. Aber Jensen ist selber umstritten, denn das der TU angegliederte
Zentrum für Antisemitismusforschung, aus dem er kommt, nimmt allenfalls Antisemitismus
von rechts wahr, so Thiel: "Die Jüdische Studierendenunion hält Jensen gerade angesichts des grassierenden muslimischen und israelbezogenen Antisemitismus für eine Fehlbesetzung. Das TU-Präsidium hielt dem seine umfangreiche Expertise im Themenbereich Antisemitismus entgegen. Leider erstreckt sie sich
nicht auf jene Formen, mit denen jüdische Studenten an den Universitäten konfrontiert sind."
"Wir sind das Volk" rufen jene, die heute
Politiker attackieren und manchmal verletzen. Claudius Seidl versucht in der
FAZ zu ergründen, auf welche Traditionen sich diese Gewalttäter eigentlich berufen: "Das scheint eine Form des
Tocqueville-Paradoxons zu sein (wonach man Rechte erst einmal haben muss, um noch mehr Rechte zu fordern); und zugleich sieht es aus wie eine Karikatur von
Rousseaus volonté générale, die ja, gerade weil sie aufs Ganze zielt, den Willen der Mehrheit ignorieren darf. Damals lief das
auf Robespierre hinaus; heute sind es Bauern, wütende Kleinstädter oder Schläger, die Rousseau noch nicht einmal zu kennen brauchen."