Über die
Ukraine-
Krise unterhält sich Petr Hlaváček mit dem tschechischen Ex-Diplomaten und ehemaligen Havel-Berater
Michael Žantovský, der zwar die Beziehung zwischen dem Westen und Russland auf einem absoluten Tiefpunkt sieht, allerdings für den Fall, dass sich die Krise mit friedensdiplomatischen Mitteln abwenden lässt, dafür plädiert, so riskant es auch klingen möge, nach einem
neuen dauerhaften Rahmen für die russisch-westlichen Beziehungen zu suchen. Nach Žantovskýs Überzeugung ist Russland "nicht unwiderbringlich dazu verdammt, die Rolle des
europäischen Störenfrieds zu spielen. Russland steckt seit fast dreihundert Jahren in dem Dilemma seiner einerseits historischen europäischen Gene und andererseits dem Großrussland-Wahn. Ein Weg daraus führt nur über das Bekenntnis zu den gemeinsamen kulturellen Traditionen und Werten, die niemand Russland gewaltsam aufgedrängt hat, sondern die sich zusammen entwickelt haben und zu denen sich Generationen russischer Intellektueller, aufgeklärter Geister, Gegner der Despotie und des Bolschewismus bekannt haben. Es würde Russland auch ermöglichen zu erkennen, dass die
wahren Bedrohungen und Gefahren nicht aus dem Westen oder der NATO kommen, sondern von woanders. Wie Umfragen (etwa des Lewada-Zentrums) zeigen, wünscht sich ein Großteil der russischen Bürger im Unterschied zu Putin bessere Beziehungen zum Westen." Auf die Rolle Tschechiens in der problematischen
Visegrád-
Gruppe V4 angesprochen, meint Žantovský: "Mit der V4 ist es so wie in einer Familie. In der macht immer irgendeiner Probleme. Seine Geschwister sucht man sich nicht aus. Interessant an der V4 ist, dass die Rolle des
problematischen Familienmitglieds wechselt. Zuerst war es Mečiars Slowakei, dann Václav Klaus' Tschechien, jetzt sind die problematischen Geschwister Polen und, noch gravierender, Orbáns Ungarn. Aber die tieferen Motive der regionalen Zusammenarbeit, die wesentliche geopolitische, historische und kulturelle Wurzeln haben, bleiben bestehen. Das Format der V4 zu verdammen, ist zumindest verfrüht und meiner Ansicht nach auch unvorsichtig. Es kann uns noch nützlich sein."