9punkt - Die Debattenrundschau
Europa wollen oder untergehen
Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
Europa
Dreißig Intellektuelle veröffentlichen in Libération einen Aufruf Europa gegen seine Feinde zu verteidigen, von Agnes Heller und Elfriede Jelinek, über Bernard-Henri Lévy und Claudio Magris bis Adam Michnik und Herta Müller. Von innen wie von außen bedrohten falsche Propheten, Populisten und Demagogen die europäische Idee, das intellektuelle Erbe von Erasmus, Dante, Goethe und Comenius, schreiben sie: "Unsere Generation hat einen Fehler begangen. Wie die Garibaldiner, die im 19. Jahrhundert unablässig wie ein Mantra wiederholten 'Italien wird sich von selbst befreien', glaubten wir, dass die Einheit des Kontinent sich von selbst ergeben wird, ohne Willen und Anstrengung. Wir lebten in der Illusion eines notwendigen Europas, das in der Natur der Dinge liege und sich ohne uns und unser Zutun gestaltet, einfach weil es im Sinne der Geschichte sei. Mit dieser Schicksalsgläubigkeit muss Schluss sein. Wir müssen Schluss machen mit dem trägen Europa ohne Kraft und ohne Gedanken. Wir haben nicht länger die Wahl. Wenn die Populismen knurren, müssen wir Europa wollen oder untergehen. Wir müssen, während überall souveränistische Abschottung droht, den politischen Willen erneuern oder dem sich breitmachenden Ressentiment die Arena überlassen, dem Hass und seinem Gefolge trüber Leidenschaften."
In Libération erklärt zudem Bernard-Henri Lévy, der dem Aufruf erkennbar die Diktion verliehen hat: "Ich hielt es für notwendig, dieses Manifest zu schreiben, weil die nächsten europäischen Wahlen im Mai, historisch werden. Das politische Projekt Europa kann endgültig in die Brüche gehen."
Medien
In der SZ ist Jürgen Schmieder nicht nur begeistert von neuen Docudramas wie "Surviving Kelly" oder in "Leaving Neverland", in denen Prominenten ungeheuer emotionalisiert der Prozess gemacht wird: "Es ist wichtig, dass es diese Dokumentarfilme und -serien gibt, als Plattformen für Opfer, als Anstoß für Debatten, als Auslöser für Ermittlungen. Diese Werke allerdings erheben jedoch bisweilen nicht nur die Anklage, es findet vielmehr eine Art öffentliche Verhandlung statt, eine verfilmte Paralleljustiz mit oftmals sehr deutlich ausgesprochenen Urteilen - und sie verführen den Zuschauer aufgrund der Dramaturgie dazu, dieses Urteil zu übernehmen, nicht selten verbunden mit dem Hinweis, dass sich Promis ohnehin durchs Justizsystem schlängeln würden, ohne jemals ernsthaft zur Verantwortung gezogen zu werden."
Politik
Im Tagesspiegel ist Fatina Keilani gar nicht beglückt von der Entscheidung des Berliner Senats, den Frauentag am 8. März zum Feiertag zu erklären: "Man könnte auch sagen, ein identitätspolitisches Thema tritt gegen ein inklusives wie den 18. März an, und gewinnt. Der 18. März als zentrales Datum deutscher Demokratiegeschichte steht für die Werte, auf denen unser Gemeinwesen beruht: Einigkeit, Recht, Freiheit."
Ideen
Der Unternehmer und Bundesrat Kaspar Villinger plädiert für ein entspanntes Heimatgefühl.